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invers ist tot? Es lebe invers!

Die Einstellung der Publishing Praxis Ende 2010 soll Anlass sein, die Geschichte der invers, die als Rubrik über viele, viele Jahre fester Bestandteil der Zeitschrift war, genauer zu beleuchten.

Experimenteller Aufbruch

Erste Ausgabe
Die erste Ausgabe der invers im November 1994.

Anfang der 1990er-Jahre führen immer leistungsfähigere Computer auch in der Druckbranche zu einem gewaltigen Umbruch. Mit dem sogenannten Desktop Publishing können Druckvorlagen relativ einfach und komfortabel am Bildschirm erstellt werden. Die neuen grafischen Möglichkeiten, auch in Erstellung und Einsatz von Schriften, laden zum Experimentieren ein und eine Phase der Chaostypografie, die Mitte bis Ende der 90er-Jahre ihre Hochzeit erlebt, beginnt.

Das Internet ist zu dieser Zeit den Kinderschuhen noch nicht entwachsen und über das klassische Telefonnetz verbundene Mailboxen bieten die Grundlage für eine elektronische Kommunikation. Die Diskussionsgruppe atari.dtp im deutschen Mausnet entwickelt sich zum Dreh- und Angelpunkt, der auf dem Atari-Computer beheimateten DTP-Software Calamus. Ein erstes Treffen, gefolgt von vielen weiteren, der Gruppe im „Reallife“ findet Anfang 1994 statt. Mit viel Aufwand wird die eigene Hardware in ein Tagungszentrum geschafft und an zahlreichen Arbeitsplätzen werden Tag und Nacht Tipps und Tricks ausgetauscht, wird diskutiert und Seminare abgehalten.

In dieser Umgebung der Kreativität und des digitalen Aufbruchs entsteht die Idee zur invers. Die Gestalter Frank Müller und Jürgen Funcke finden in Ulf Dunkel nicht nur jemanden der Calamus-Dokumente für den Druck belichten kann, sondern auch Produktion und Vertrieb der neuen Zeitschrift organisiert. Im November 1994 erscheint die erste, 32 Seiten umfassende, invers. Die Gestaltung des nicht ganz Din-A4-großen Heftes orientiert sich an Vorbildern wie Emigre oder Raygun. Neben Workshops, die helfen sich mit der neuen digitalen Welt zurecht zu finden, wird über alles berichtet was sich im Kontext von Gestaltung und Typografie abspielt. Und es darf viel experimentiert werden. AutorInnen, die möchten, können ihre Artikel selbst gestalten. Ein festes Raster existiert nicht, jeder Artikel stellt eine eigene Gestaltung dar. Mancher unleserliche Artikel führt nicht nur bei den PuristInnen zu Protest. Aber es ist eine Phase des Experimentierens und des Lernens.

Calamus kommt zur invers

Zwei Jahre später übernimmt der invers-Verlag zunächst die Vertriebs- später dann auch die Entwicklungsrechte an der Software Calamus. Nicht selten finden Bedürfnisse, die bei der Gestaltung der Zeitschrift invers entstehen, direkten Niederschlag in der Weiterentwicklung der Software. Aber auch umgekehrt findet eine Beeinflussung statt und die invers entwickelt sich zum Hausmagazin des DTP-Programms.

Mitte 1998 werden Verlag und Softwareentwicklung getrennt. Neben Jürgen Funcke als Chefredakteur ist fortan Günter Honkomp für Produktion und Vertrieb der invers verantwortlich. Allerdings kommt schon wenige Monate später das Aus für die invers als eigene Zeitschrift. Im Februar 1999 erscheint die letzte Ausgabe und invers wird als Rubrik mit Heft-im-Heft-Charakter in der Zeitschrift Publishing Praxis fortgeführt.

Die Rubrik invers in der Publishing Praxis

Auch als Rubrik genießt die invers weitgehende Autonomie. Besondere Papiersorten und absolute gestalterische Freiheiten schaffen einen unvergleichlichen Rahmen, um die Grundideen der invers fortzuführen.

Inhaltlich konzentriert sich die Rubrik invers in den kommenden Jahren auf die Themen Typografie, Gestaltung und Papier. Zwar erfolgt die Gestaltung der Seiten weiterhin in eigener Regie, aber Calamus wird schnell vom moderneren InDesign abgelöst. In den nun folgenden Jahren werden zunächst elf, später dann sechs Ausgaben pro Jahr der achtseitigen Rubrik produziert. Neben Günter Schuler als regelmäßiger Autor geht die Verantwortung für die Seiten auf Volker Ronneberger über. Der Heft-in-Heft-Charakter mit eigenem Papier und besonderer Gestaltung bleibt die Jahre über erhalten und garantiert der invers eine kleine Sonderrolle in der Publishing Praxis.

Die Entwicklung im Anzeigengeschäft zwingt Ende 2010 den Verlag Deutscher Drucker zur Einstellung der Publishing Praxis und damit endet erst mal auch die Geschichte der invers. Die Entscheidung fällt nach Heftschluss der Ausgabe 11/12, der verpasste Abschiedsgruß von Seiten der invers sei hiermit nachgeholt.

Und jetzt?

Auch wenn eine invers auf Papier zur Zeit nicht absehbar ist, soll die Geschichte des Projektes nicht gänzlich enden. Bevor er so richtig gestartet ist, steht dieser Blog, eigentlich als Begleitung zur Rubrik in der Publishing Praxis geplant, nun erst mal alleine dar. Eine weitere Berichterstattung aus den Bereichen der Typografie, Gestaltung und Papier wird hier also fortgesetzt. Welche weiteren Ideen sich zusätzlich noch umsetzen lassen, wird die Zukunft zeigen. Wir werden sie dann zu gegebener Zeit hier bekannt machen.

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Kommentare

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Frank Müller am :

Na dann wünsche ich mal viel Glück und überhaupt. Gefunden habe ich Dich übrigens über den Tweed zu Kurt Weidemanns Tod, der mich mal persönlich heftig typografisch attackiert hat. Aber ihm stand das immer zu. Viel Feind, viel Ehr. Viele Grüße, Frank

volker am :

Hallo Frank
An diese Geschichte hatte ich auch schon gedacht. Ich muss mal gucken, ob die alten CDs noch tun. Vielleicht suche ich dann die entsprechenden Artikel aus der alten invers mal wieder raus.

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